„Fleischlust“ hemmt nachhaltige Ernährungsumstellung
INTEGRAL-Studie zum Weltvegetariertag am 01.10.
Für die einen ist ein Alltag ohne Fleisch und Wurst unvorstellbar, für die anderen ist eine fleischlose Ernährung eine Gewissensfrage oder der Schlüssel gegen den Klimawandel. Anlässlich des Weltvegetariertages am 01. Oktober hat INTEGRAL in einer aktuellen Online-Befragung gefragt, wie groß das Potenzial von vegetarischer Ernährung in Österreich ist, warum manche „Fleischtiger“ ihre Ernährungsweise nicht ändern möchten, und auf welche fleischlosen Ernährungsexperimente sich die Befragten einlassen würden.
Die Hälfte der Bevölkerung (53%) achtet bei der Ernährung darauf, wenig bis kein Fleisch bzw. Fisch zu essen: Nach eigenen Angaben ernähren sich 45% der Befragten flexitarisch (d.h. seltener bzw. unregelmäßiger Konsum von Fleisch oder Fisch), 6% vegetarisch bzw. pescetarisch und 3% vegan (d.h. keine tierischen Produkte). Eine der größten Gruppen bilden mit 45% jedoch diejenigen, die häufig Fleisch und Fisch essen.
Künftig mehr Menschen vegetarisch und vegan? Größte Potenziale bei unter 30-Jährigen
In Zukunft dürfte die Bedeutung von Vegetarismus und Veganismus jedoch steigen. Unter jenen, die sich derzeit nicht vegetarisch oder vegan ernähren, kann sich ein Fünftel (21%) eine vegetarische Lebensweise vorstellen. Vegane Ernährung kommt für 9% dieser Gruppe in Frage. Besonders große Offenheit für fleischlose Ernährung äußern jüngere Menschen: 36% der unter 30-jährigen Fleisch-Fans können sich vorstellen, komplett auf Fleisch und Fisch zu verzichten. Vegan zu leben, schließen 18% der unter 30-jährigen Allesessenden für sich nicht aus.
Auf die steigende Bedeutung von Vegetarismus deutet auch das Interesse an fleischloser Ernährung. So ist jeweils gut die Hälfte der Nicht-Vegetarier*innen grundsätzlich neugierig darauf, vegetarische Gerichte auszuprobieren (55%), oder spricht sich für einen vegetarischen Tag pro Woche in Kantinen oder Restaurants aus (53%). Allerdings: Zu einer grundlegenden Ernährungsumstellung ist nur eine kleine Gruppe bereit.
Größte Barrieren für die Umstellung zu Vegetarismus: Geschmack, Gewohnheit, Gesundheit
Menschen, die Fleisch und Fisch essen, nennen vielfältige Gründe, weshalb sie nicht darauf verzichten möchten. Am häufigsten werden der unverzichtbare Geschmack von Fleisch und Fisch (53%), Ernährungsgewohnheiten durch Tradition oder Kultur (39%) und die Sorge vor einer ungesunden Mangel-Ernährung (32%) angeführt. Andere Gründe sind jeweils nur für eine Minderheit ausschlaggebend, z.B. fehlendes Wissen zu Vegetarismus, soziale Faktoren wie das Verhalten des Umfeldes in Bezug auf den eigenen Verzicht, oder mögliche Herausforderungen im Alltag durch die Umstellung der Ernährungsweise.
„Die Bedeutung vegetarischer und veganer Ernährung wird – nicht zuletzt aufgrund der Einstellungen und Verhaltensweisen der zukunftsweisenden Milieus und der jungen Zielgruppen – weiter zunehmen. Für Nahrungsmittelproduzenten sowie Supermärkte und Gastronomie ist es daher essenziell, ihre Angebotspalette auch in guter Qualität in diese Richtung zu erweitern.“, sagt Martin Mayr, Mitglied der Geschäftsleitung bei INTEGRAL.
Umweltschutzaspekte von fleischreduzierter Ernährung sind für Menschen, die Fleisch essen, etwas relevanter als der persönliche Benefit: So stimmen 55% zu, dass es gut für den Klimaschutz wäre, wenn alle Menschen weniger Fleisch, Wurst und Fisch essen würden, während nur 43% der Meinung sind, dass ihnen persönlich weniger von diesen Lebensmitteln guttun würde.
Starker Einfluss der Lebenswelt auf den Fleischkonsum
Dass Ernährung ein Ausdruck von Lebensstil und Werten ist, zeigt das Mapping der Ergebnisse im Gesellschaftsmodell der Sinus-Milieus. Auf dieser „Landkarte der Gesellschaft“ werden Menschen anhand ihrer Lebenswelt und sozialen Lage in zehn „Gruppen Gleichgesinnter“ unterteilt. Martin Mayr erläutert weiter: „Es zeigt sich, dass sich Menschen aus unterschiedlichen Motiven für vegetarisches Essen entscheiden: Milieus, denen Nachhaltigkeit ein Anliegen ist (Postmaterielle und Progressive Realisten) wählen vegetarische Speisen überdurchschnittlich oft aus Klima- bzw. Tierschutzgründen. Anderen Milieus, wie beispielsweise Performern oder Kosmopolitische Individualisten, ist es eher wichtig, aktuellen Trends zu folgen bzw. neue Dinge auszuprobieren - und sie entscheiden sich daher immer wieder für eine vegetarische Alternative am Speiseplan. Ganz anders verhält es sich im Milieu der Nostalgisch-Bürgerlichen: Hier besteht die geringste Bereitschaft für Vegetarismus. Für diese systemkritische ehemalige Mitte der Gesellschaft ist Fleisch ein selbstverständlicher Bestandteil des Alltags und somit eine Art Kulturgut. Man hat zunehmend den Eindruck, es werde einem der Schweinsbraten weggenommen, also sogar die Ernährung von „den Eliten“ vorgeschrieben. Das verstärkt das Gefühl, nicht verstanden zu werden.“
Neugierde auf Fleisch-Ersatzprodukte, Labor-Fleisch und Insekten?
Fleischlose Ernährung ist ein wichtiger Innovationstreiber im Food-Bereich, wie die zunehmende Vielfalt von Fleischersatzprodukten im Supermarkt oder in der Gastronomie zeigt. Doch welche Erfahrungen hat die Bevölkerung damit gemacht? Die Hälfte der Befragten (51%) hat schon einmal vegetarische Wurst, Schnitzel oder Faschiertes gegessen. 9% haben dies noch nicht getan, zeigen sich aber offen für einen Versuch. Gut ein Drittel (36%) möchten auch künftig keine Fleischersatzprodukte probieren.
Derzeit wird an Möglichkeiten geforscht, Fleisch im Labor künstlich zu züchten. Dies würde Fleischkonsum ermöglichen, ohne Tiere dafür zu töten. Zwei Drittel der Befragten (67%) schließt den Konsum von derartigem „Labor-Fleisch“ jedoch aus. Auch Insekten werden als zukunftsträchtige Fleisch-Alternative gepriesen. 41% der Befragten gehen davon aus, dass Käfer und Co. künftig eine größere Rolle in unserer Ernährung spielen werden.
Deutschland im Vergleich: Etwas geringeres Bewusstsein für fleischreduzierte Ernährung und Tierwohl
Frikadellen, Bockwurst oder Eisbein – in der deutschen Küche spielt Fleisch eine nicht ganz so große Rolle. Womöglich ist deswegen das Bewusstsein für fleischreduzierte Ernährung und Tierwohl in unserem Nachbarland etwas geringer, aber die Verzichtsbereitschaft wiederum höher ausgeprägt. Das hat das SINUS-Institut, Schwesterunternehmen von INTEGRAL, für Deutschland herausgefunden. So geben zwar nur 38% der Deutschen an, nur selten bzw. unregelmäßig Fleisch, Wurst und Fisch zu essen (vs. 45% hierzulande), aber immerhin 10% leben fleischlos (vs. 6% in Österreich). Für diese Lesart spricht auch, dass die Neugierde der deutschen Fleisch-Fans auf vegetarische Gerichte etwas geringer ist als in Österreich (50% in DE vs. 55% in AT). Auch befürworten mit 82% etwas weniger, dass Tiere immer artgerecht gehalten werden sollten, auch wenn Produkte dadurch mehr kosten (vs. 89% in AT).
Methodischer Hinweis
Dies sind Ergebnisse aus dem INTEGRAL Onlinebus. Im August und September 2023 wurden 1.000 Personen repräsentativ für die österreichische Bevölkerung Im Alter von 18 bis 75 Jahren zu diesem Thema befragt.