Erzeugt die Klimakleber-Bewegung innere Widersprüche?
Aktueller Klimabesorgnis-Monitor von INTEGRAL und SPECTRA: Mehr Aufmerksamkeit für den Klimawandel, aber nicht durch zu radikale Aktionen
Sie kleben sich an Straßen fest, beschütten (geschützte) Kunstgegenstände und sind beim öffentlichen Diskurs ganz vorne mit dabei: Die Aktivist:innen der „Letzten Generation“, die auch als „Klimakleber“ bezeichnet werden. Klar ist, dass das Ziel, Aufmerksamkeit zu erregen, erreicht wurde. Doch nicht nur in der Bevölkerung herrscht Uneinigkeit in der Haltung gegenüber der Bewegung, es erscheint manches auch als innerer Widerspruch. Eine Mehrheit findet es gut, dass auf den Klimawandel aufmerksam gemacht wird, gleichzeitig überwiegt aber auch die kritische Haltung gegenüber der Protestbewegung. Ein Drittel der Bevölkerung ist gar der Ansicht, dem Thema Klimawandel werde zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Aktuell sieht man weniger Anlass, über diesen nachzudenken, als noch während der Hitzewellen und Waldbrände des letzten Sommers. INTEGRAL und SPECTRA haben das Thema im Rahmen des Klimabesorgnis-Monitor beleuchtet.
Starke Präsenz der Klimakleber-Bewegung
Mit 92% der Befragten hat nahezu die gesamte Bevölkerung im Alter von 16 bis 75 Jahren bereits von der Klimakleber-Bewegung gehört. Wenngleich es meist junge Menschen sind, die sich daran beteiligen und in sozialen Medien zum Thema kommunizieren, ist die Aufmerksamkeit bei den Älteren (50-75 Jahre) überdurchschnittlich hoch ausgeprägt. Das Ziel, aufzufallen, wurde damit ganz klar erreicht. Allerdings äußern die Befragten Zweifel daran, dass die Proteste zu einem klimafreundlicheren Verhalten führen. 82% glauben eher oder gar nicht an einen Effekt, besonders die ältere Zielgruppe ist hier skeptisch.
Mehrheit findet es gut, auf den Klimawandel aufmerksam zu machen – solange niemand zu Schaden kommt
Bei aller Skepsis hinsichtlich der Effektivität stimmen knapp 6 von 10 Befragten der Aussage zu, es sei gut, auf den Klimawandel aufmerksam zu machen, solange niemand dadurch Schaden nimmt. Formal Höhergebildete und Personen in Wien sind noch stärker dieser Ansicht. Auch ist die Hälfte der Befragten der Meinung, die eigentlichen Forderungen der Protestierenden seien berechtigt.
Gleichzeitig steht eine Mehrheit (66%) den Protesten eher oder sehr negativ gegenüber. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass eine nicht zu vernachlässigende Gruppe in der Klimakleber-Frage sehr ambivalent ist: Die Hälfte derer, die die Proteste kritisieren, hält es gleichzeitig für wichtig, auf das Thema aufmerksam zu machen, und ein gutes Drittel findet die eigentlichen Forderungen berechtigt.
Eine knappe Mehrheit (53%) der Befragten fordert sogar höhere Strafen für die Protestierenden. Auch hier zeigt sich, dass 40% davon gleichzeitig die Lenkung der Aufmerksamkeit auf den Klimawandel begrüßen.
„Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass… Aufmerksamkeit für den Klimaschutz ja, aber möglichst freundlich und nicht irritierend – das ist die widersprüchliche Haltung der österreichischen Bevölkerung“, meint dazu Bertram Barth von INTEGRAL. „Allerdings lässt sich das Thema nicht mehr verdrängen, denn auch Umweltereignisse machen regelmäßig darauf aufmerksam.“
Einstellung zum Klimawandel hängt stark von Umweltkatastrophen und Medienberichten ab
Der Einfluss von Wetterereignissen auf die Haltung in der Klimafrage lässt sich im Zeitverlauf klar erkennen. So gab es im vergangenen August, als Hitzewellen und Waldbrände die Berichterstattung prägten, für 54% Anlass, über den Klimawandel nachzudenken. Diese Aufmerksamkeit für den Klimawandel sank bis Oktober auf 34%, nachdem sich das Wetter normalisiert hatte und die Berichterstattung darüber zurückgegangen war. Der deutliche Anstieg auf 43% im November könnte auch mit den medienwirksamen Aktivitäten der Klimaaktivist:innen zusammenhängen.
Die Präsenz der Klimaproblematik ist auch mit der Bereitschaft zur Verhaltensänderung verbunden. Im letzten August gaben noch 70% an, sich in Zukunft klimafreundlicher verhalten zu wollen. Aktuell sind es nur mehr 59%.
30% der Befragten sind derzeit der Ansicht, dem Thema Klimawandel würde zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Männer liegen hier signifikant über dem Durchschnitt, während die Zustimmung zu dieser Aussage mit zunehmendem Alter nur tendenziell ansteigt.
„Dass nach wie vor ein Drittel der Bevölkerung meint, das Klima-Thema erhalte zu viel Aufmerksamkeit, ist auch auf die glücklicherweise wenigen Extremwetterereignisse in Europa in den letzten Wochen zurückzuführen. Die ablehnende Haltung könnte außerdem durch die Proteste durchaus Aufwind bekommen haben. Es ist zu erwarten, dass die Öffentlichkeit für das Thema Klimakrise in den Sommermonaten stärker empfänglich ist.“, so dazu Stephan Duttenhöfer von SPECTRA.
Dies sind Ergebnisse aus dem INTEGRAL Onlinebus. Von 26. bis 31. Jänner 2023 wurden 1.000 Personen repräsentativ für die österreichische Bevölkerung Im Alter von 16 bis 75 Jahren online zu diesem Thema befragt.